Was ist der Sinn des/meines Lebens?

Markus Thimm, Heilpraktiker Psychotherapie, Mönchengladbach, NiederrheinWer hier eine einfache Antwort auf eine so komplexe Frage erwartet, den muss ich leider enttäuschen. Denn die Antwort, auf diese existentielle Frage, beinhaltet einen Prozess des Suchens und kann jeder nur in sich selbst finden. Der erste Schritt aber, auf der Suche nach einer Antwort, ist, sich diese Frage überhaupt zu stellen.

Wann stellt man sich die Sinnfrage?

Meistens dann, wenn es einem schlecht geht, wenn man mit seinem Dasein grundsätzlich hadert oder in Lebenskrisen steckt. Menschen mit einem positiven Lebensgefühl würden die Sinnhaftigkeit ihres Lebens nur in den seltensten Fällen in Frage stellen. Möchte man einer Lebenskrise nun etwas positives abringen, kann man also sagen, dass eine Krise den Menschen dazu veranlasst, sein gegenwärtiges Leben rückblickend zu reflektieren.

Welchen Sinn haben persönliche Krisen?

Eine Lebenskrise ist wie ein Hagelkorn. Anfangs steigt ein Samenkorn, angetrieben durch Aufwinde, in den Himmel. In einer Gewitterwolke wirkt der Samenkorn dann als Kristallisationskern, Wasser kann sich anhaften und gefriert zu Eis. Wenn dieser Eisklumpen dann als extremer und vernichtender Hagelschlag zur Erde fällt, können ganze Landstriche verwüstet werden und somit Trauer und Leid bringen. Auf den zerstörten und freien Gebieten ist aber nun Platz für neues Leben. Der Hagelkorn schmilzt und der Samen kann sich mit der Erde vereinigen, wird genährt durch das geschmolzene Wasser und kann als neues Leben wachsen. Einerseits bringt der Hagelkorn also Chaos und Vernichtung und andererseits trägt er neues Leben in sich. Der Hagelkorn erfüllt demnach den Sinn, das Alte zu beenden, um etwas neues entstehen zu lassen. Übertragen auf Lebenskrisen heißt das: Lebenskrisen bieten dem Menschen die Chance, seine alten Denk- und Verhaltensweisen zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern. “Vielleicht haben ja gerade meine Einstellungen und Ansichten mich erst in diese Krise gebracht oder hindern mich, aus dieser Krise wieder heraus zu kommen.”
Denn: “Menschen werden nicht durch die Dinge beunruhigt, sondern durch die Sichtweise dieser Dinge.” (Epiktet).

Welchen Sinn hatten/haben Krisen in der Entwicklung/Evolution des Menschen?

In der Entwicklungsgeschichte des Menschen finden wir Phasen der Not genauso, wie Zeiten des Überflusses. Während Phasen des Überflusses eher dem Wachstum und der Vermehrung dienen, finden große Entwicklungssprünge in Zeiten der Not und Veränderung statt. In existentiellen Lebenskrisen wird die Menschheit nämlich vor die Aufgabe gestellt, sich an neue Bedingungen anzupassen oder unterzugehen. Wenn z.B. in der Jungsteinzeit ein Volksstamm zu groß wurde und das angestammte Gebiet nicht mehr alle ernähren konnte, zwangen Hunger und Not einen Teil des Stammes die Region zu verlassen, um sich andere Lebensräume zu erschließen. Eine immer wiederkehrende Herausforderung sich an neue Umweltbedingungen anzupassen, waren ebenso klimatische Veränderungen, die in regelmäßigen Abständen die Menschheit vor große Probleme stellte. Ein solches Beispiel der Anpassung, der einen bedeutenden Entwicklungsschritt vom Menschenaffen zum Menschen zur Folge hatte, fand vor ca. 7,5 Millionen Jahren statt. Als sich die klimatischen Bedingungen auf der Erde änderten und die Wälder zurückgingen, lagen die in den bewaldeten Lebensräumen vorkommenden Nahrungsquellen - wie etwa Obstbäume - zu weit auseinander, um von den bisherigen Menschenaffen effizient genutzt werden zu können. Die Anthropologen Peter Rodman und Henry McHenry sind der Meinung, dass sich der aufrechte Gang, der eine effizientere Fortbewegung ermöglichte, nur auf Grund dieser veränderten Umweltbedingungen hat entwickeln können.
(http://www.evolution-mensch.de/thema/bipedie/bipedie.php)
Es gab für die damaligen Menschenaffen nur die Wahl sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen oder unterzugehen.

Es ist fraglich, ob sich der Mensch vom Dryopithecus (frühen Menschenaffen) zum Homo Sapiens hätte entwickeln können, wenn die Umweltbedingungen immer gleich gut geblieben wären. Der Homo Sapiens verdankt demnach seine Menschwerdung Lebenskrisen, die seine Vorfahren dazu motiviert haben, sich neuen Aufgaben und Herausforderungen zu stellen.

Eine persönliche Krise stellt einen Menschen ebenso vor Aufgaben und Herausforderungen und gibt ihm eine Chance, sich in seiner Persönlichkeit weiterzuentwickeln.